
„Wenn das Buch mein Körper ist,
dann ist die Schrift meine Seele,
und jede Seite darin ein Tag meines Lebens“,
dachte sich der Poet, der gerade an seinem ersten Buch schrieb. Ja, er versuchte jeden Tag eine Seite zu schreiben – das heißt er versuchte mit jeder Seite seines Buches einen Tag zu verbringen. Es sollte sein erstes und sein letztes, und sein bestes Buch werden – jedenfalls ein Buch wie kein anderes, das für so viel stehen würde wie die unaufhaltsame Inspiration des Poeten. Er schrieb also mit seiner Seele um seinen leeren Körper zu füllen – dieses Buch, das kein Wissen übermitteln sollte, von dem man sagen könne es wäre richtig oder falsch, aber die Überzeugung, dass es einen freien Geist gibt – und freie Gedanken eines Menschen – nicht nur durch das Schreiben, sondern auch durch das Lesen dieses einen Buches.
„Was kommt zuerst“, fragte sich der Poet, „das Schreiben oder das Lesen? Wenn wir Texte lesen, werden diese zuvor geschrieben – doch wie können wir etwas schreiben, das zuvor noch niemand jemals gelesen hat? Wenn wir schreiben – ich meine wirklich schreiben -, das heißt kreativ, originell, neues schreiben, dann lesen wir wiederum unsere Gedanken. Das ist die eigentliche Kunst des Schreibens, unsere eigenen Gedanken wahrzunehmen, lesen zu können – uns selbst in diesem Prozess zu erkennen. Das Lesen und Schreiben ist scheinbar untrennbar miteinander verbunden – vielleicht ist es sogar das gleiche? – aber beim Lesen erhalten wir etwas, beim Schreiben geben wir; daraus bildet sich ein Kreis.“
So schrieb der Poet über seine Gedanken – und gleichzeitig las er seine Gedanken während er schrieb. Es wurde zu seiner alltäglichen Meditation und zu seinem philosophischen Tagebuch.
Schon lange bevor der Poet einst in der Schule gelernt hatte wie man liest und schreibt, hatte er schon seit seiner Geburt durch all seine Sinnesorgane die Welt gelesen – und das hat ihn zu der Person gemacht, die er jetzt war, mit all seinen Erfahrungen, Kenntnissen und Meinungen über die Welt und über andere Menschen und über sich selbst. Er hatte schon so viel gelesen, doch er wusste, dass die Welt ein endloses Buch ist…
